22 IM GESPRÄCH DIE GEWALTSCHUTZBEAUFTRAGTEN PERSONEN SIND MULTIPLIKATOR: INNEN, WAS BEDEUTET DAS? Hohenegger: Die Ausbildung soll Mitarbeiter:innen im Krankenhaus für das Thema Gewalt sensibilisie-ren. Schulungen und Workshops haben nur eine gewisse Reichweite. Die Idee der Gewaltschutzbeauf-tragten ist es, Ansprechpersonen in den Teams vor Ort zu haben, Gewaltschutz im Rahmen von Dienst-besprechungen etc. zu thematisieren und das Thema so zu „multiplizieren“. Als Expert:innen sind diese geschulten Personen in ihrem Arbeitsbereich erste Anlaufstelle bei Fragen und Unsicherheiten und gleichzeitig Schnittstelle zum Kompetenzzentrum, das als Koordinationsstelle zwischen allen Netzwerkpartner:innen agiert. Genelin: Ich bin Gewaltschutzbeauftragte im Krankenhaus Hochzirl. Gleich nach der Ausbildung habe ich zwei Vorträge zum Thema gehalten und meine Funktion erklärt. Das hat einen Effekt – ich bin mehrmals kontaktiert worden, um konkrete Verdachtsmomente zu diskutieren. Man merkt, dass sich das Bewusstsein für das Thema verändert. Wir haben als Gewaltschutzbeauftragte auch zweimal im Jahr ein Austauschtreffen, koordiniert vom Kompetenzzentrum. WELCHE ROLLE SPIELT GEWALTSCHUTZ IM KRANKENHAUS, WELCHE ROLLE HAT HIER DAS GESUNDHEITSPERSONAL? Hohenegger: Es geht darum, wie Gewaltbetroffene im Krankenhaus Hilfe bekommen. Und da spreche ich jetzt weniger von der Behandlung konkreter Verletzungen, sondern dass wir aufmerksam für Anzeichen sind, dass wir ins Gespräch kommen. Im ersten Schritt geht es darum, zu vermitteln, dass das Krankenhaus ein Ort ist, wo man Hilfe bekommt. Genelin: Laut Statistik Austria suchen 20 Prozent der Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, den Erstkontakt für eine Hilfestellung bei Menschen in Gesundheitsberufen. Die Awareness für Gewalt spielt also in unseren Berufen eine sehr große Rolle. WIE SCHAUEN SOLCHE ANZEICHEN AUS? Genelin: Wir sprechen hier von sogenannten „red flags“, das sind Verletzungen, die schwer erklärbar sind oder erst spät behandelt werden, chronische Beschwerden, überbehütende Partner, häufige Fehlgeburten oder Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung, aber auch ein unbegründetes aggressives oder schnippisches Verhalten können Anzeichen für Gewalterfahrungen sein. Die Idee zur Ausbildung der Gewaltschutzbeauftragten entwickelte die Innsbrucker Opferschutzgruppe, mit dabei Andrea Hohenegger. Sie engagiert sich seit 2011 im Gewaltschutz und gibt ihr Wissen dazu und ihre Erfahrung als Pflegerin in der Notfall-Ambulanz im Kurs weiter. IM GESPRÄCH Text: Teresa Lackner-Pöschl | Foto: Gerhard Berger
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