23 IM GESPRÄCH UND WIE GEHEN SIE AUF BETROFFENE ZU? Hohenegger: In der Ausbildung vermitteln wir, wie man dann mit dem Gewalt-Verdacht umgehen kann: Betroffene in einem 4-AugenGespräch darauf ansprechen und darlegen, welche Hilfsangebote es gibt. Manchen kann man mit einer psychologischen Beratung helfen, andere brauchen einen Frauenhausplatz oder einfach eine Rechtsberatung. Das Kompetenzzentrum ist eine wichtige Schnittstelle zu allen involvierten Institutionen. UND WENN BETROFFENE GAR KEINE HILFE WOLLEN? Hohenegger: Klar, es kann frustrierend sein, wenn eine Patientin immer wieder kommt. Aber im wiederkehrenden Kontakt kann sich Vertrauen aufbauen. Ein zentraler Punkt im Gewaltschutz ist das Verständnis für Gewaltopfer und das Hintergrundwissen, wie Gewaltstrukturen funktionieren. Wir üben jedenfalls keinen Druck aus, bei erwachsenen Gewaltopfern braucht es auch in den meisten Fällen die Zustimmung für eine Anzeige oder Intervention. Genelin: In der Ausbildung zur Gewaltschutzbeauftragten erzählt eine betroffene Frau von ihren Erfahrungen und wie schwer Veränderungen sind. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich erinnere mich auch oft an eine Patientin aus meiner Turnuszeit. Ich hatte eine starke Vermutung, dass sie geschlagen wurde, meine Nachfragen dazu hat sie aber immer verneint. Ich muss oft an diese Patientin denken, denn heute würde ich sie weniger bedrängen, eine Gewalterfahrung zuzugeben, sondern ihr stärker vermitteln, dass sie im Krankenhaus jederzeit Hilfe bekommt – auch ohne akute Verletzung. WAS SOLL DIESES NETZWERK DER GEWALTSCHUTZBEAUFTRAGTEN LANGFRISTIG BEWIRKEN? Hohenegger: Gewalt früher erkennen und auch ganz klar benennen. Das Gefühl, dass bei einem Unfallhergang etwas nicht stimmen kann, kennen vermutlich viele in Gesundheitsberufen. Die Ausbildung gibt konkrete Tools und Handlungsanleitungen mit, wie man reagieren und auch agieren kann. Genelin: Es geht um ein Bewusstsein für das Thema und die entsprechenden Strukturen zur Prävention. Für mich steht auch die Teamarbeit im Fokus: gerade die Kolleginnen und Kollegen aus Pflege- und TherapieBerufen sind oft viel enger im Kontakt mit Patientinnen und Patienten. Mit der Funktion der Gewaltschutzbeauftragten gibt es für alle eine konkrete Anlaufstelle, um sich gut abzustimmen und auszutauschen. Im letzten Jahr wurden 53 Personen im Kompetenzzentrum für Gewaltschutz und Gewaltschutzambulanz ausgebildet. Eine von ihnen ist Eleonora Genelin, Oberärztin an der Neurologie in Hochzirl. Im Gespräch mit der HOCH³ erzählen beide Frauen von ihrer Tätigkeit und warum Gewaltschutz ein breites Netzwerk braucht.
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