HOCH3 #40 - Dezember 2025

23 IM GESPRÄCH SIE HABEN – BIS AUF DIE AUSBILDUNGSZEIT – IMMER ALS PFLEGER IN DER PSYCHIATRIE GEARBEITET. WIE HAT SICH DAS ENTWICKELT? Eigentlich durch Zufall. Ich war gelernter Fliesenleger und Ofensetzer, wollte dann in die Pflege. Im Bereich der Psychosomatik wurden Mitarbeiter:innen gesucht, also bin ich dort gelandet und auch geblieben. Der Fokus lag damals stark auf der Behandlung von Essstörungen. Diese Arbeit war sehr herausfordernd, aber auch sehr prägend für mich. Ab einem gewissen Punkt habe ich dann eine Führungsfunktion angestrebt und bin seit über 10 Jahren in der Organisation – was mir auch irrsinnig viel Freude macht. Ich gehe gerne in die Arbeit, wir sind ein tolles Team und können viel gemeinsam entwickeln. WAR DIE PSYCHIATRIE VOR 40 JAHREN EIN ARBEITSPLATZ WIE JEDER ANDERE ODER WAREN SIE MIT VORURTEILEN KONFRONTIERT? Die Reaktionen waren anfangs tatsächlich sehr unterschiedlich. Es gab einfach gesellschaftlich viel weniger Verständnis für Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Es hieß ‘ Reiß dich doch zamm‘. Glücklicherweise hat sich viel getan. Bei psychischen Krankheiten braucht man genauso Hilfe wie bei einem gebrochenen Fuß. Da hat auch die Arbeit der Krankenhäuser viel bewirkt. Es gab eine Öffnung, ambulante und tagesklinische Angebote wurden ausgebaut. Ich erinnere mich, als die erste Wohngemeinschaft für Menschen mit Essstörungen umgesetzt wurde – das war ein ganz neuer und erfolgreicher Ansatz. Auch die hausärztlichen Praxen haben dazu beigetragen, Vorurteile abzubauen. Ich sehe eine sehr positive Entwicklung, Betroffene suchen und bekommen heute leichter Hilfe. WAS UNTERSCHEIDET PFLEGEARBEIT IN DER PSYCHIATRIE VOM SOMATISCHEN BEREICH AUS IHRER SICHT? Ein großer Unterschied ist vielleicht, dass man nicht nach Schema arbeiten kann, wie zum Beispiel nach einer Hüft-OP. Natürlich gibt es in der Psychiatrie auch Leitfäden auf wissenschaftlicher Basis, die Krankheitsbilder sind aber individueller. Entsprechend müssen auch die Therapiekonzepte individuell entwickelt werden. Auf einer Unfallstation braucht es Wundversorgungskompetenz, bei uns sind Fähigkeiten in Gesprächsführung und Krisenintervention sehr wichtig. Der Fokus liegt vorrangig auf der Psyche, aber auch auf dem Körper. Dafür braucht es viel Empathie, Geduld, Zeit für Gespräche, und man muss gut zuhören und beobachten können. Aber egal welche Station oder Berufsgruppe – wir haben alle das Ziel, Patientinnen und Patienten bestmöglich zu helfen. WELCHE HERAUSFORDERUNGEN GIBT ES IN IHREM BERUF? Wir arbeiten mit Menschen in psychischen Ausnahmezuständen. In so existenziellen Krisen können auch Gefährdungssituationen entstehen. Da geht es dann um den Schutz der Betroffenen, aber auch um die Sicherheit des Personals. Ich habe Situationen erlebt – spucken, kratzen, beißen, schlagen – in denen Kolleginnen oder Kollegen verletzt wurden. Das ist aber Gott sei Dank selten. Wenn es medizinisch notwendig ist, haben wir den so genannten Unterbringungsbereich und für die Versorgung dort gibt es strenge Vorschriften und Gesetze zum Schutz der Gesundheit aller Beteiligten. Als Herausforderung im Beruf sehe ich auch die eigene Psychohygiene. In der Pflege geht es bei uns viel um Beziehungsaufbau und Vertrauen. Das ist natürlich sehr persönlich, da braucht es einen guten Ausgleich. WO FINDEN SIE DIESEN AUSGLEICH? Definitiv im Sport, ich habe schon als Kind Sport gemacht. Radfahren, Laufen, Schwimmen – ich bin dann beim Triathlon gelandet und engagiere mich auch in der Jugendarbeit in einem Verein. Ich war zweimal bei Iron Man auf Hawaii. Da habe ich viel gelernt, was ich auch im Job brauchen kann: gute Vorbereitung, Durchhaltevermögen, Energie einteilen. Seit 11 Jahren organisiere ich auch die Teilnahme der tirol kliniken beim Firmenlauf – da geht es viel um Gemeinschaft und das Gesellschaftliche und natürlich darum, etwas zu erreichen, worauf man stolz sein kann. Als Ausgleich empfinde ich übrigens auch gute Teamgespräche. Ein guter Austausch beim Kaffee, das sind für mich Ruhepole im manchmal stressigen Arbeitsalltag.  IM GESPRÄCH Text: Teresa Lackner-Pöschl | Foto: Madeleine Gabl

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