Rätselhafter Tauchunfall
04.08.2016
Ein 74-jähriger Innsbrucker erleidet beim Tauchen im Gardasee unter Wasser einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Kollegen bergen ihn, er wird 15 Minuten lang reanimiert. Im ersten Krankenhaus finden die MedizinerInnen keinen Grund für den Vorfall und schicken den Patienten per Rettungstransport nach Innsbruck. Hier hat der 74-jährige das Glück, auf einen Tauchmediziner und einen Kardiologen zu treffen, die das Rätsel lösen und dem Patienten einen völlig neuartigen und den derzeit weltweit kleinsten Herzschrittmacher implantieren.
Es ist ein zynischer Zufall, dass der Innsbrucker im Gardasee gerade einen Tauchrettungskurs absolviert, als er in ca. acht Metern Tiefe einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleidet. Kollegen bergen den leblosen Taucher aus dem Wasser und beginnen mit der Reanimation. 15 Minuten lang und schlussendlich erfolgreich. Im lokalen Krankenhaus wird er untersucht, doch die MedizinerInnen finden trotz intensiver und invasiver Abklärung keine Ursache. Sie lassen den Patienten per Rettungstransport in die Innsbrucker Klinik überstellen. Hier hat in der Notaufnahme gerade der Notfallmediziner und Taucherarzt Frank Hartig Dienst. Er braucht nicht lange, um das Rätsel zu lösen. Der Patient leidet an einem sogenannten Karotis-Sinus-Syndrom.
Problem an der Kontrollstelle
Um eine optimale Blutversorgung im ganzen Körper sicherzustellen, gibt es an den verschiedensten Positionen des Körpers Kontrollstellen, die den Blutdruck überwachen. Einer dieser Punkte befindet sich an der Halsschlagader (Karotis). Bei manchen Menschen kann dieser Punkt allerdings überempfindlich reagieren. Dann reicht schon ein geringer Druck von außen auf diesen Punkt, die Kontrollstelle wertet das als Bluthochdruck und gibt den Befehl den Herzschlag zu verlangsamen. Das kann einen Herzstillstand zur Folge haben.
Oft reichen bereits beengende Kleidungsstücke, um bei betroffenen PatientInnen eine derartige Krise auszulösen. Bei dem Patienten war es der Taucheranzug, der im Halsbereich relativ eng anliegend war. Wenn dann eine bestimmte Kopfbewegung dazukommt, um sich z.B. zu seiner/m TauchpartnerIn umzudrehen, reicht das aus, um den falschen Befehl an das Herz auszulösen. Bei dem Patienten konnte im Schockraum der Medizinischen Notfallaufnahme durch gezielten Druck auf diesen Punkt ein neuerlicher kurzfristiger Herzstillstand reproduziert und am EKG dokumentiert werden. Ohne die richtige Diagnose des Tauchmediziners der Innsbrucker Klinik wäre es beim nächsten Tauchgang mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, den der Patient vermutlich nicht mehr überlebt hätte.
Der kleinste Herzschrittmacher der Welt
Der zweite glückliche Zufall für den Patienten: An der Innsbrucker Klinik steht seit kurzem ein Mini-Herzschrittmacher zu Verfügung. Zudem gibt es mit Markus Stühlinger von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Kardiologie einen Mediziner, der Erfahrung bei der Implantation dieses Gerätes hat. Übliche Schrittmacher haben etwa die Größe einer Streichholzschachtel und werden im Bereich der Schulter implantiert. Von dort werden Drähte in das Herz eingebracht. Mit einem derartigen Schrittmacher hätte der 74-jährige seinen Tauchsport in dieser Form aber nicht mehr ohne weiteres ausüben können. Die herkömmlichen Geräte sind meist nur eingeschränkt unter Wasser verwendbar.
Der neue Schrittmacher ist nur etwa so groß wie eine Euro-Münze und wurde dem Patienten über ein großes Blutgefäß in der Leiste direkt in das Herz eingesetzt. Er besitzt keinerlei Drähte und sowohl Batterie, Impulsgeber als auch Datenspeicher sind direkt in das Gerät eingebaut. Bei dieser neuen Schrittmachergeneration gibt es wenig Erfahrung zur Verwendung bei Tauchern. Die Taucheignung haben die beiden Mediziner letzten Donnerstag gemeinsam mit dem Patienten im Tivoli bewiesen.
Abgetaucht
Um die Sicherheit für den Taucher zu gewährleisten, hat Frank Hartig gemeinsam mit dem 74-jährigen Innsbrucker den Tauchgang unter notfallmedizinischem Standby durchgeführt. Markus Stühlinger hat am Beckenrand mit seinem Equipment gewartet, um sofort nach dem Tauchgang die Werte des Schrittmachers auslesen zu können und die Funktion des Aggregats zu überprüfen.
Wie erwartet, funktionierte das neue Schrittmachersystem perfekt. Der Patient verspürte keine Symptome und wurde daher von den Medizinern auch für weitere Tauchgänge freigegeben.