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Gewalt: Ein Viertel aller PatientInnen betroffen

Gewalt: Ein Viertel aller PatientInnen betroffen

01.02.2017
26,3 Prozent aller PatientInnen, die in die Innsbrucker Klinik kommen sind Opfer von einer Form von Gewalt. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. In Schulungen werden MitarbeiterInnen für dieses Thema sensibilisiert.

Insgesamt wurden von der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie an der Innsbrucker Klinik 1.800 PatientInnen zu ihren Gewalterfahrungen befragt. Über ein Viertel gab dabei an, aktuell von Gewalt betroffen zu sein. Abgefragt wurden dabei nicht nur körperliche, sondern auch sexuelle oder psychische Übergriffe wie zum Beispiel Demütigungen. Männer und Frauen sind in etwa gleich betroffen und in 60 Prozent der Fälle geht die Gewalt von der Partnerin/vom Partner aus.

Dramatische Folgen – ein Leben lang
PatientInnen, die Gewalt erfahren, haben meist ein Leben lang mit den Folgen zu kämpfen. Zum einen leiden sie häufiger unter Depressionen, Angststörungen und den Zeichen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Die Auswirkungen können aber auch körperlicher Art sein. Magen-, Darm- oder Hauterkrankungen sowie chronische Schmerzen sind häufige Folgen. Zum anderen haben PatientInnen, die in gewalttätigen Paarbeziehungen leben, signifikant häufiger bereits in ihrem Elternhaus Gewalt erlebt. Besonders erschreckend ist dabei die Tatsache, dass in mehr als der Hälfte der Haushalte, in denen häusliche Gewalt vorkommt, Kinder leben. Aber auch Misshandlungen oder Mobbing von Gleichaltrigen in der Schule führen oft dazu, dass sich Betroffene später in gewalttätigen Partnerschaften wiederfinden.

Maßnahmen
Seit einiger Zeit laufen in der Klinik Schulungen von MitarbeiterInnen, um die Sensibilität für das Thema Gewalt zu erhöhen und den Umgang mit Gewaltopfern zu üben. Grund dafür ist unter anderem die Tatsache, dass sich 70 Prozent der Befragten wünschen, im Krankenhaus gefragt zu werden, ob sie Opfer von Gewalt sind. Das wird aber derzeit bei Weitem nicht erreicht. In bereits geschulten Bereichen werden allerdings mehr PatientInnen nach Gewalt befragt, die Maßnahmen zeigen also erste Wirkung. Die Schulungen werden von der Opferschutzgruppe der Innsbrucker Klinik organisiert und durchgeführt. Das elf-köpfige Team aus Pflege, Sozialarbeit, Medizin, Psychologie und Gerichtsmedizin setzt aber nicht nur Sensibilisierungsmaßnahmen, sondern ist auch im Ernstfall erreichbar, um zum Beispiel unterstützende Gespräche an der Psychotraumatologie und Traumatherapie der Univ.-Klinik für Medizinische Psychologie zu vermitteln.

Red flags?
Ein Ziel der Studie wäre auch gewesen, gewisse Warnsignale zu erarbeiten oder Personengruppen zu identifizieren, die statistisch häufiger von Gewalt betroffen sind. Es hat sich aber herausgestellt, dass es keine Häufungen in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildung oder ländlicher/städtischer Herkunft gibt. Auffallend war allerdings, dass PatientInnen mit Migrationshintergrund weniger bereit waren, an der Befragung teilzunehmen, obwohl die Fragen in mehreren Sprachen zur Verfügung standen. Für die StudienleiterInnen bestätigt sich damit die Vermutung, dass Gewalt immer noch ein absolutes Tabuthema ist.

Zahlen
Innsbruck:
- Befragte PatientInnen 1.800
- Aktuell Opfer von Gewalt 337 (26,3 %)
- Täter ist Partnerin/Partner 60 %
- Wollen nach Gewalt befragt werden 70 %

Weltweit (WHO 2013):
- Jede vierte Frau min. einmal Opfer von Gewalt

Österreich (Institut für Familienforschung 2011):
- Von körperlicher Gewalt betroffen: 28 % der Männer, 30 % der Frauen
- Mädchen, die sexuelle Gewalt bis zu ihrem 11. Lebensjahr erlebt haben: 6 %
- Männer, die in der Kindheit schwerer körperlicher Gewalt ausgesetzt waren: 20 %

Die Dunkelziffer liegt bei Gewalt immer deutlich höher.


Fotos:
Schüßler: Univ.-Prof. Dr. Gerhard Schüßler, Direktor der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie
Lampe: Univ.-Prof. Dr. Astrid Lampe, stv. Direktorin der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie
Beck: Dr. Thomas Beck, Psychologe und Leiter der Opferschutzgruppe der Klinik Innsbruck
Bildnachweis: tirol kliniken/Seiwald (honorarfrei)

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