Häufung vermeidbarer Erkrankungen bei Kindern
22.12.2017
In Tirol ist es zuletzt zu einer Häufung von Krankheiten gekommen, die durch rechtzeitiges Impfen komplett vermieden hätten werden können. Einige Kinder mussten sogar auf der Intensivstation behandelt werden.
„Für uns als Medizinerinnen und Mediziner ist es nicht leicht, schwerkranke Kinder zu sehen, Kinder, die um ihr Leben kämpfen und dabei zu wissen, dass dieses Leid durch einen Nadelstich hätte verhindert werden können", bringt es Jürgen Brunner, Geschäftsführender Oberarzt der Kinderklinik auf den Punkt.
Zuletzt mussten an der Klinik wieder vermehrt Kinder und Erwachsene mit Keuchhusten behandelt werden. Im Jahr 2017 waren es in Tirol bisher 155 Fälle, Tendenz steigend, berichtet Peter Kreidl von der Medizinischen Universität Innsbruck: „Der Keuchhusten kommt zurück, das belegen die Zahlen und das Tragische ist, dass der Keuchhusten zwar harmlos klingt, aber für Kleinkinder tödlich sein kann. Allein im Jahr 2014 sind in der EU 14 Säuglinge daran verstorben." „Wir hatten Fälle aus allen Tiroler Bezirken", führ Anita Luckner-Hornischer von der Landessanitätsdirektion aus, „14 Betroffene mussten im Krankenhaus behandelt werden. Fünf erkrankte Kinder waren unter einem Jahr alt und damit besonders gefährdet."
Ebenfalls aufgetreten ist zuletzt die Hirnhautentzündung (Meningitis), ausgelöst durch das Bakterium „Hämophilus influenzae Typ B". Früher war es die häufigste Form der bakteriellen Hirnhautentzündung, dank der Impfung ist es heute die seltenste Form. Der Verlauf ist schwer und kann auch tödlich enden. Viele betroffene Kinder leiden außerdem an lebenslangen Schäden, häufig Taubheit. Auch hier steigen die Fälle an. Gab es 2000 und 2001 keine Fälle, so waren es 2002 wieder drei und zwischen 2006 und 2015 wurden neun Fälle registriert. „Hier ist nicht einmal eine spezielle zusätzliche Impfung erforderlich", erklärt Luckner-Hornischer, „die Standard 6-fach Impfung enthält auch die Immunisierung gegen dieses Bakterium. Die Behandlung hingegen ist umso aufwendiger, da wir Kontaktpersonen des erkrankten Kindes identifizieren und vorsorglich behandeln müssen."
Ebenfalls als harmlos angesehen werden die Röteln, die auch tatsächlich meist einen milden Krankheitsverlauf haben. Außer bei Schwangeren. Je früher der Zeitpunkt der Infektion während einer Schwangerschaft liegt, desto höher ist das Risiko, dass es zu schweren Missbildungen oder sogar einer Fehlgeburt kommen kann. Österreich hat nach Polen die meisten Fälle aufzuweisen. Da es sich um eine Virusinfektion handelt, gibt es kaum wirksame Behandlungsmethoden. Einziger effektiver Schutz ist die Masern-Mumps-Röteln-Impfung.
Eine der am meisten unterschätzten Kinderkrankheiten ist Masern. Die Krankheit ist hochansteckend und die Fallzahlen steigen derzeit wieder deutlich an. 26 Fälle waren es 2016 in Österreich. Derzeit stehen wir bei 95 Fällen. Zehn davon in Tirol. Leider waren in Österreich bisher bereits elf Säuglinge betroffen. In Europa kam es in vielen Ländern zu einer Vervierfachung der Masernfälle und 32 Personen, meist Kinder, sind daran verstorben. Auch hier gibt es keine effektive Behandlung. Nur die MMR-Impfung schützt vor einer Ansteckung.
Die Entscheidung seine Kinder impfen zu lassen, liegt bei den jeweiligen Eltern und die MedizinerInnen können nur möglichst objektiv und transparent informieren. Jedes Kind hat allerdings Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen. Die Empfehlungen der ÄrztInnen sollten also ernst genommen werden. Zudem wird oft auch vergessen, dass die Entscheidung Impfen oder nicht, auch einen Einfluss auf unsere Mitmenschen hat. Grund dafür ist die sogenannte „Herdenimmunität". Neugeborene, Säuglinge, PatientInnen mit geschwächtem Immunsystem nach einer Transplantation oder mit Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Rheuma, Kinder, die eine Krebserkrankung wie Leukämie überlebt haben und viele andere Menschen können nicht geimpft werden bzw. sind noch nicht immun und sind deshalb darauf angewiesen, dass möglichst alle Menschen in ihrem Umfeld geimpft sind. Das ist für die Betroffenen der einzig mögliche Schutz vor einer Infektion. Impfen ist also nicht nur eine persönliche Entscheidung, sondern auch eine Entscheidung, die die Schwächsten in unserer Gesellschaft schützt.
Foto (tirol kliniken/Schwamberger): vlnr: Jürgen Brunner (Geschäftsführender Oberarzt, Innsbrucker Kinderklinik), Anita Luckner-Hornischer (Landessanitätsdirektion), Peter Kreidl (Sektion für Hygiene, Medizinische Mikrobiologie und Public Health, Medizinische Universität Innsbruck)