Krebszentrum Innsbruck: "Verbesserte Krebstherapie durch Präzisionsmedizin"
29.01.2020
Bösartige Tumorerkrankungen zählen weltweit wie auch in Österreich zu den Haupttodesursachen. Fortschritte in Forschung und Behandlung haben die Überlebensrate bei Krebs allerdings maßgeblich verbessert.
Die Krebsbehandlung am Comprehensive Cancer Center Innsbruck (CCCI) basiert auf neuesten molekularbiologischen Forschungserkenntnissen und modernsten Therapierichtlinien. Verantwortliche Experten wie der Hämatologe und internistische Onkologe Dominik Wolf und der Gynäkologe Christian Marth sind maßgeblich an nationalen und internationalen Behandlungs- und Wirksamkeitsstudien für neue Krebsmedikamente beteiligt. Davon profitieren KrebspatientInnen in Innsbruck schnell und direkt.
CCCI: Know-how unter einem Dach
Das 2018 von Medizinischer Universität Innsbruck und den tirol kliniken in Betrieb genommene Comprehensive Cancer Center Innsbruck (CCCI) bündelt Erkenntnisse aus der molekularen Krebsforschung und aus klinischen Studien. „In diesem fächer- und teamübergreifenden Zentrum können wir individuell maßgeschneiderte und hocheffiziente Krebstherapien anbieten. Die optimierte Zusammenarbeit von Forschung und Klinik verspricht eine verbesserte Heilungsrate, auch weil unsere Patientinnen und Patienten durch die Teilnahme an Klinischen Studien – am Standort Innsbruck laufen derzeit weit mehr als 100 Studien – früher Zugang zu neuesten Therapien erhalten“, bestätigt Christian Marth, Direktor der Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe und Sprecher des CCCI. Die Zentralisierung von PatientInnen und die Bündelung von Ressourcen in spezialisierten Krebszentren ermöglichen optimale Behandlungsergebnisse und sichern die Weiterentwicklung der Krebsforschung.
Entscheidend: Molekulares Tumor-Profiling
Die genetische Charakterisierung des Tumors mithilfe von RNA- und DNA-Gensequenzierung liefert wichtige diagnostische Erkenntnisse, um eine optimale Therapieentscheidung treffen zu können. „Das geht sogar so weit, dass sich die Klassifizierung von Krebs teils nicht mehr am Ursprungsorgan, aus dem der Tumor wächst, orientiert, sondern viel mehr an den molekularen Eigenheiten der Tumorzelle. Die Beschaffenheit der Zelloberfläche, welche Signale die Zelle wachsen lassen, aber auch die direkte Umgebung des Tumors und sogar das Darmmilieu können in Zukunft auch in der klinischen Praxis wichtige Hinweise für die optimale Diagnostik, Therapiewahl und das Ansprechen der Behandlung liefern“, erklärt Dominik Wolf, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin V an der Medizinischen Universität Innsbruck. Vor diesem Hintergrund kann ein bestimmter molekularer Gendefekt, auch wenn er in verschiedensten Tumorarten vorkommt, unabhängig vom Ursprungsorgan ausschlaggebend für die Therapiewahl sein. „Wir sprechen hier von sogenannten tumoragnostischen Therapien, also gezielten Behandlungen, bei denen nicht das befallene Organ, sondern die nachgewiesene und medikamentös angreifbare genetische Veränderung der Patientinnen und Patienten entscheidend für das Ansprechen ist“, erklärt Wolf.
CAR-T-Zellen als Hoffnungsträger
Die Immunonkologie zählt heute weltweit zu einem der innovativsten Forschungsfelder, in dem auch die Medizinische Universität Innsbruck bereits seit den 1990er Jahren wichtige Beiträge leistet. Von neuen und vielversprechenden Immun- und Zelltherapien, die auf die Aktivierung des Immunsystems als Waffe gegen den Tumor setzen, profitieren auch die PatientInnen des Innsbrucker Krebszentrums. Bereits 2019 wurden die ersten Lymphom-PatientInnen erfolgreich mit der CAR-T-Zell-Therapie versorgt, die derzeit vor allem bei hämatologischen Erkrankungen wie dem Lymphom, aber auch bei Akuter Lymphatischer Leukämie eine verbesserte Prognose verspricht. Dabei werden T-Zellen aus dem Blut der PatientInnen gewonnen, mit einem künstlichen Antigenrezeptor aufgerüstet und den PatientInnen über eine Infusion wieder zugeführt. Die CAR-T-Zellen sind somit in der Lage, Tumorzellen gezielt zu erkennen und zu zerstören. „Diese Therapieform bringt bei rund 35 bis 40 Prozent der Lymphom-Patienten eine langfristige Remission. Mögliche Nebenwirkungen machen allerdings eine selektive Auswahl nötig“, betont Wolf, der im Rahmen der CAR-T-Zellplattform der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (ÖGHO) gemeinsam mit Wiener, Grazer, Linzer und Salzburger KollegInnen laufend landesweit gültige Voraussetzungen und Indikationskriterien für die qualitätsgesicherte Durchführung der CAR-T-Zelltherapie in Österreich prüft.
Schon bald werden auch am CCCI frühe CAR-T-Zell-Therapiestudien für PatientInnen zur Verfügung stehen, in denen innovative und noch effektivere Zelltherapieprodukte getestet werden. „Beispielsweise kann die Wirksamkeit von CAR-T-Zellen durch die Auswahl von zwei Zielstrukturen (duale CAR-T-Zellen) verbessert werden. Aber auch bei soliden Tumoren hat dieser Therapieansatz ein sehr hohes Potential, das derzeit in frühen klinischen Studien geprüft wird“, so Wolf.
Therapiesprung beim Ovarialkarzinom
Dass die Präzisionsmedizin und die Erkenntnisse aus klinischen Studien Hoffnung geben, konnte ein Team um Christian Marth erst kürzlich in einer internationalen Untersuchung belegen, deren Daten aus Österreich von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe koordiniert wurden.
In der im renommierten New England Journal of Medicine publizierten Multicenter-Studie wurde die Wirksamkeit sogenannter PARP-Hemmer auf das Überleben bei Eierstockkrebs unter die Lupe genommen. PARP-Inhibitoren hemmen spezifische Enzyme und verhindern dadurch, dass die Krebszellen DNA-Schäden, die sie durch eine Chemotherapie erleiden, reparieren. Nachdem diese relativ neue Arzneimittelklasse bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs und wiederkehrendem Tumor nach Chemotherapie die Überlebensaussichten verbessern kann, sollte nun untersucht werden, ob auch Frauen bei der Erstdiagnose von dieser Therapie profitieren. „Die Ergebnisse zeigen, dass die zusätzliche Anwendung des PARP-Inhibitors Olaparib nach der Chemotherapie die Zeit bis zur Rückkehr der Krankheit dramatisch verbessern kann. Dies gilt vor allem bei Frauen, bei denen eine Mutation im BRCA-Gen vorliegt, aber auch bei jenen ohne nachweisbare genetische Veränderungen“, kommentiert Marth das Ergebnis, das damit einen neuen Behandlungsstandard setzt.
Auch wenn Immuntherapien in der modernen Krebsmedizin neben Operation, Chemo- und Strahlentherapie sowie auch gezielten Therapien inzwischen einen fixen Platz einnehmen – ob als Einzeltherapie oder Teil einer Kombinationstherapie –, sehen die beiden Experten noch große Herausforderungen. Es gelte, weiter daran zu forschen, warum immunaktivierende Therapien nur bei einem Teil der Betroffenen wirksam sind, wie das Auftreten von Nebenwirkungen reduziert und wie die Resistenzentwicklung verhindert werden kann. „Je mehr Details des Tumors wir kennen, desto gezielter können wir nach neuen Angriffspunkten suchen, Wirksamkeiten vorhersagen und Heilungsraten verbessern“, beschreiben Christian Marth und Dominik Wolf Chancen und Herausforderungen der modernen Krebsmedizin.
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