Anna Dengel
Anna Dengel
Missionsärztin und Ordensgründerin, 1892 bis 1980
Anna Dengel war eine der ersten Ärztinnen, die aus dem heutigen Tirol hervorgegangen sind. Sie ist eine Ordensgründerin, die Kirchen- und Medizingeschichte geschrieben hat. Anna Dengel erfuhr zu ihren Lebzeiten eine Reihe hervorragender Auszeichnungen. Es wurden ihr allein fünf Ehrendoktorate übertragen. Die für sie schönste Auszeichnung war jedoch die Ehrenbürgerschaft ihrer Heimatgemeinde Steeg 1961. Den Ehrenring des Landes Tirol betrachtete die Tirolerin zeitlebens als große persönliche Kostbarkeit. Zum 100. Geburtstag widmete ihr die österreichische Post eine Briefmarke. Zum gleichen Anlass wurde das Öffentliche Landeskrankenhaus Hochzirl von der Tiroler Landesregierung offiziell "Anna-Dengel-Haus" benannt. |
Am 16. März 1892 erblickte Anna Dengel als Erstgeborene des Paramentenmacherehepaares Edmund und Gertrude Dengel aus Steeg im Lechtal das Licht der Welt. Hier in Steeg verbrachte Anna eine unbeschwerte Kindheit. In den folgenden Jahren kamen noch vier Geschwister dazu. Im Oktober 1900 traf die Familie mit dem Tod der Mutter ein besonders schmerzlicher Schicksalsschlag. Aus einer zweiten Ehe des Vaters folgten noch vier weitere Geschwister.
Anna besuchte nun bei den Tertiarschwestern und dann bei den Thurnfelder Heimsuchungsschwestern in Hall die Schule und ging dann für zwei Jahre als Lehrerin nach Lyon. Der Zufall wollte es, dass sie mit der schottischen Ärztin Agnes McLaren, die eine junge Ärztin für Indien suchte, in Kontakt kam. Das reizte Anna Dengel. Zunächst aber musste sie Medizin studieren, was für eine junge Frau zu dieser Zeit in Osterreich eher ungewöhnlich war. So kam es, dass sie nach einem abschließenden Schuljahr bei den Ursulinen in Innsbruck im Jahre 1913 zum Medizinstudium nach Cork, Irland, ging, wo sie 1919 promovierte.
Anna Dengel ging nach einer kurzen praktischen Ausbildung in Claycross im mittelenglischen Kohlerevier 1920 als Laienärztin nach Rawalpindi im damaligen Nordindien. Sie wollte moslemischen Frauen, die sich keinem männlichen Arzt zeigen durften, in der Stunde ihrer Niederkunft und im Krankheitsfalle medizinische Hilfe bringen.
Anna Dengel übernahm zunächst das kleine St. Katharinenhospital in Rawalpindi mit 16 Bambusbetten und einer großen Ambulanz. Die Tage waren randvoll ausgefüllt mit medizinischen Tätigkeiten im Spital oder bei Visiten, wobei sie manchmal auch die landesübliche Purdah-Verschleierung anlegen musste, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Das war nur 7 Jahre nachdem Albert Schweitzer das Spital von Lambarene gründete.
Knappe dreieinhalb Jahre verbrachte Anna Dengel als Laienärztin in Rawalpindi, bis sie ob der Größenordnung des medizinisch-hygienischen Problems eine Art Depression befiel. Sie kehrte im Mai 1924 nach Hall zurück und machte in Innsbruck bei Pater Rimmel, einem Jesuiten, Exerzitien. Nach drei Tagen der Einkehr und einer Messe zum Heiligen Geist teilte ihr Pater Rimmel mit, dass sie selbst im Rahmen der Kirche Gleichgesinnte suchen und medizinisch tätig sein solle. Anna Dengel wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, wie das geschehen sollte, da ja Priestern und Ordensangehörigen seit dem 2. Laterankonzil im Jahre 1215 das Ausüben der Chirurgie und Geburtshilfe verboten war.
Anna Dengel begab sich noch im selben Jahr über London nach den USA, wo sie an der Ostküste in zahlreichen Vorträgen vom Schicksal der indischen Frauen berichtete und gleichzeitig zahlreiche Kontakte knüpfte. Binnen einem Jahr gründete Anna Dengel gemeinsam mit einer Ärztin und zwei Krankenschwestern am 30. September 1925 die Gemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern in Washington D.C. Anna Dengel organisierte Geld und gewann weitere Schwestern in den USA.
Die Ärztin und die Schwestern machten sich auf den Weg nach Nordindien und setzten die Arbeit im Katharinenhospital in Rawalpindi fort. Bald folgte eine zweite Gründung in Dakka in Ostindien und 1939 in Patna am Ganges.
1948 kam in das nun schon sehr angesehene Spital der Missionsärztlichen Schwestern in Patna am Ganges eine albanisch-stämmige Nonne, die bisher Geographie in Darjeeling unterrichtet hatte und sich nun ganz den Armen widmen wollte. Später wurde aus dieser Nonne die bekannteste Frau der Welt ? Mutter Teresa. Sie machte bei den Missionsärztlichen Schwestern ihre erste pflegerische Ausbildung und blieb dem Orden und so Anna Dengel ihr Leben lang verbunden.
Die kleine Gemeinschaft Anna Dengels wuchs beständig. 1947 zählte sie schon 108 Schwestern, 1957 470 und im Jahre 1967 gar 728. Parallel dazu folgten Niederlassungen rund um die Welt in Indonesien, Afrika, Mittel- und Südamerika sowie auf den Philippinen. Während des 2. Weltkrieges, wo die Arbeit in den Entwicklungsländern erschwert war, gründete sie mehrere Spitäler für Farbige in den Südstaaten der USA. Burma und das vom Krieg heimgesuchte Südvietnam waren weitere Marksteine ihres Wirkens. Die "Holy Family Hospitals", wie die Spitäler der Missionsärztlichen Schwestern häufig genannt wurden, waren gesuchte schulische Ausbildungszentren für Schwestern, Hebammen und Laborantinnen. Ausgebildet wurde einheimisches Personal, gleich welcher Rasse und Konfession es angehörte. Denn es war immer Ziel der Schwestern, dass eines Tages die einheimische Bevölkerung die Spitäler übernehmen würde, was heute in vielen Fällen Wirklichkeit wurde, wie das Beispiel Indien zeigt.
Sitz des Ordensgeneralates ist heute London. Die letzte und 50. Niederlassung, die Anna Dengel gründete, war Attat in Äthiopien. Waren es am Anfang die Amerikanerinnen und die Europäerinnen, unter ihnen besonders die Holländerinnen, die das Gros der Mitglieder stellten, so sind es heute überwiegend Asiatinnen, die zu den Trägern der Gemeinschaft wurden. Derzeit sind 650 Schwestern aus 23 Nationen in 19 Ländern auf allen 5 Kontinenten medizinisch tätig.
Am 19. März 1976 erlitt Anna Dengel einen Schlaganfall, der sie für den Rest ihres Lebens ans Bett fesselte. In den Morgenstunden des 17. April 1980 ging ein erfülltes Leben zu Ende. Am 21. April wurde ihre sterbliche Hülle am Campo Santo Teutonico im Schatten der Peterskuppel beigesetzt.
Anna Dengel war eine der ersten Ärztinnen, die aus dem heutigen Tirol hervorgegangen sind. Sie ist eine Ordensgründerin, die Kirchen- und Medizingeschichte geschrieben hat.
Anna Dengel erfuhr zu ihren Lebzeiten eine Reihe hervorragender Auszeichnungen. Es wurden ihr allein fünf Ehrendoktorate übertragen. Die für sie schönste Auszeichnung war jedoch die Ehrenbürgerschaft ihrer Heimatgemeinde Steeg 1961. Den Ehrenring des Landes Tirol betrachtete die Tirolerin zeitlebens als große persönliche Kostbarkeit.
Links:
Gemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern: https://www.medicalmissionsisters.org.uk/
Freunde Anna Dengel Österreich: www.freundeannadengel.at
Anna Dengel in AEIOU (Österreich-Lexikon): http://austria-forum.org/
Literatur-Tipp:
Schödl, Ingeborg: Anna Dengel, Das Unmögliche wagen – Die Biografie der Gründerin der Missionsärztlichen Schwestern (1892–1980), Innsbruck 2014
Rhomberg, Hans-Peter: Anna Dengel. Mit einem Vorwort von Mutter Teresa, Innsbruck 1993